Fossilien aus der Grube Messel unter Röntgenstrahlen: Neues mobiles Werkzeug ermöglicht chemische Charakterisierung von Fossilien

Forschende nutzen erstmals Röntgenbildgebungstechnologie zur Charakterierung von Fossilien aus dem UNESCO-Welterbe

15.04.2025 von

Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Forscher Marco Colombo and Prof. Wolfgang Ensinger des Fachbereichs Materialwissenschaft der TU Darmstadt und des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt hat erstmals Röntgenfluoreszenz (XRF) zur Untersuchung von Fossilien aus der weltberühmten Grube Messel angewendet. Die im „Journal of Analytical Atomic Spectrometry“ veröffentlichte Studie zeigt, wie eine detaillierte Untersuchung der chemischen Zusammensetzung von Fossilien funktioniert – ohne eine Beschädigung der einmaligen Exponate aus Forschungs- und Museumssammlungen.

Der ausgestorbene, baumbewohnende Vogel (Primozygodactylus major) aus der Grube Messel wurde mit dem neuen Gerät gescannt. Die Knochen sind mit Calcium (rot) angereichert, während das Nickelsignal (blau) die im Verdauungstrakt des Vogels erhaltenen Samen sichtbar macht.

Das UNESCO-Welterbe Grube Messel ist bekannt für seine einzigartig gut erhaltenen Fossilien. Haut, Fell, Federn und sogar innere Organe der 47 Millionen Jahre alten Lebewesen aus den Ölschiefern der Fossillagerstätte sind in herausragender Qualität konserviert. „Doch gerade bei großen Fossilien, die oft in Kunstharz oder Flüssigkeiten wie Wasser oder Glycerin gelagert werden, war eine chemische Analyse bisher schwierig“, erklärt Dr. Thomas Lehmann vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Lehmann hat unter der Leitung von Marco Colombo von der TU Darmstadt und dessen Betreuer Prof. Wolfgang Ensinger und in Zusammenarbeit mit Dr. Valentina Rossi vom University College Cork erstmalig ein leistungsstarkes Röntgenfluoreszenzspektrometer für die Untersuchung von Messel-Fossilien eingesetzt. Das mobile Gerät wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Städel Museum in Frankfurt, der Städel-Kooperationsprofessur am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität Frankfurt, der TU Darmstadt und Senckenberg angeschafft, großzügig finanziert von der Dr. Rolf M. Schwiete-Stiftung. „Die Technologie wird normalerweise zur Analyse historischer Gemälde eingesetzt, etwa um Vorzeichnungen oder künstlerische Techniken sichtbar zu machen“, erklärt Colombo und fährt fort: „Sowohl bei der Untersuchung solcher Kunstobjekte als auch bei Fossilien stehen wir vor der Herausforderung, dass diese meist einzigartig und gleichzeitig sehr fragil sind. Wir bemühen uns daher, ausgeklügelte zerstörungsfreie Methoden zu nutzen und/oder zu entwickeln, um solche Objekte zu erforschen.“

Mit einem mobilen XRF Spektrometer, das im Städel Museum in Frankfurt untergebracht ist, wurden Fossilien aus der Grube Messel erstmals – zum Teil mehrere Stunden lang – gescannt.
Mit einem mobilen XRF Spektrometer, das im Städel Museum in Frankfurt untergebracht ist, wurden Fossilien aus der Grube Messel erstmals – zum Teil mehrere Stunden lang – gescannt.

Die chemische Analyse fossiler Weichteile kann wertvolle Erkenntnisse über die Biologie und Ökologie ausgestorbener Arten liefern. „Mit modernen Technologien können wir Aspekte der Evolution und der Lebensweise urzeitlicher Tiere rekonstruieren, die uns zuvor verborgen blieben“, ergänzt Seniorautorin der Studie Rossi und fährt fort: „Der Einsatz modernster Technologien in der Fossilienanalyse kann bisher unzugängliche Informationen enthüllen und stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Paläontologie dar. Dieser Ansatz ist entscheidend, um unser Verständnis des Lebens und der Ökosysteme der Vergangenheit zu erweitern.“ Das Team entdeckte bei seiner Untersuchung der fossilen Amphibien, Reptilien, Säugetiere und Vögel auffällige chemische Signale, die mit Fell, Federn und inneren Organen in fast allen analysierten Fossilien in Verbindung stehen. Dies zeigt auch, dass alle bisher für die Messel-Fossilien verwendeten Konservierungsmethoden deren chemische Zusammensetzung erhalten. „Haare und Federn enthalten Schwefel und Titan, während im Bauchgewebe Kupfer und Zink nachweisbar sind. Der Mageninhalt, zum Beispiel Samen, weist Spuren von Nickel, Kupfer und Zink auf. In unserer Studie beschreiben wir genau, wie diese chemischen Signale erfasst und ausgewertet werden können“, so Lehmann und weiter: „Wir konnten zudem bestätigen, dass die bisherigen Konservierungsmethoden – sowohl das Übertragen aus dem Sediment auf eine Harzplatte als auch die Aufbewahrung in Wasser oder Glycerin – die chemische Zusammensetzung der Fossilien glücklicherweise nicht verändert."

„Dank der rasanten technologischen Fortschritte können Paläontolog*innen und Materialwissenschaftler*innen heute enger denn je zusammenarbeiten. Indem wir modernste Analysetechniken mit unserem Wissen über Fossilien kombinieren, erweitern wir unser wissenschaftliches Werkzeugset kontinuierlich. So gewinnen wir nicht nur neue Einblicke in die Vergangenheit, sondern bewahren auch unser uraltes Erbe für zukünftige Generationen.“

Valentina Rossi, University College Cork

Im Oktober 2021 bereitete das Team aus Materialwissenschaftler*innen und Paläontolog*innen [von links nach rechts: V. Rossi (Uni Cork), M. Gerken (Städel Museum), M. Colombo und B. Thybusch (TU Darmstadt), T. Lehmann (Senckenberg)] die Messel Fossilien für die Scans vor.
Im Oktober 2021 bereitete das Team aus Materialwissenschaftler*innen und Paläontolog*innen [von links nach rechts: V. Rossi (Uni Cork), M. Gerken (Städel Museum), M. Colombo und B. Thybusch (TU Darmstadt), T. Lehmann (Senckenberg)] die Messel Fossilien für die Scans vor.

Application of mobile-macroscale scanning X-ray fluorescence (mobile-MA-XRF) imaging in paleontology: analyses of vertebrate fossil specimens from Messel conserved in different solid and liquid media Marco Colombo, Thomas Lehmann, Wolfgang Ensinger and Valentina Rossi, J. Anal. At. Spectrom., 2025, 40, 989

https://doi.org/10.1039/D4JA00310A