Atomare Kanäle durch den Kristall

ERC Starting Grant für TU-Projekt MECERDIS von Materialwissenschaftler Xufei Fang

28.11.2022 von

Das Forschungsprojekt MECERDIS der TU Darmstadt wird vom Europäischen Forschungsrat mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet. Mit rund 1,5 Millionen Euro wird die Arbeit von Dr. Xufei Fang gefördert. Der TU-Materialwissenschaftler forscht an verbesserten Keramik-Werkstoffen, die neue Anwendungen ermöglichen sollen.

Keramik ist ein Werkstoff, der aus unserem täglichen modernen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Überall wird er verwendet – in Handys, Laptops, Computern, für Sensoren und Kondensatoren oder auch in der Luft- und Raumfahrt. Der Werkstoff ist sehr vielseitig, aber auch sehr anspruchsvoll, weil er hart und leicht zerbrechlich ist. Der TU-Materialwissenschaftler Dr. Xufei Fang forscht deshalb an einer neuen Generation von Keramiken, die plastisch verformbar sind und dank einer gezielt veränderten Kristallstruktur auch neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen.

Die Pionierarbeit des jungen TU-Wissenschaftlers fördert der Europäische Forschungsrat nun mit einem ERC Starting Grant. Fünf Jahre lang unterstützt die EU sein Projekt MECERDIS (Mechanics-tailored Functional Ceramics via Dislocations). „Eine große Chance“, freut sich der 33-Jährige. Xufei Fang wurde für seine Grundlagenforschung bereits 2019 von der TU Darmstadt als Athene Young Investigator ausgewählt und gefördert.

Keramiken bestehen aus ionischen und kovalenten Bindungen, die den Werkstoff hart, aber auch spröde und leicht zerbrechlich werden lassen. Um das Material zu verbessern und flexibler zu machen, setzt der TU-Wissenschaftler auf eine gezielte Störung gerade dieses atomaren Aufbaus. Er baut bewusst Defekte ein, bei dem mehrere Atome im sonst regelmäßigen Kristallgitter der Keramik fehlen. Diese so genannten Versetzungen, eindimensionale Defekte, ziehen sich als gerade oder gebogene Linie quer durch den Kristall der Keramik und können als Kanal genutzt werden – etwa für den Einbau von Sauerstoff oder auch als Bremse für die Ausbreitung von Wärme. Es habe nachgewiesen werden können, so Xufei Fang, dass diese Versetzungen auch für Supraleitung oder elektrische Ladungen geeignet sind, was sie interessant mache für die Energieerzeugung und eine höhere Effizienz von Brennstoffzellen.

Wegen der Sprödigkeit des Materials gelingt es jedoch bisher nur schwer, diese Kanäle geplant in die Keramik einzubringen. „Das ist der kritische Punkt der Forschung und einer künftigen Versetzungs-Technologie“, sagt Xufei Fang. Das nun geförderte Projekt MECERDIS soll entscheidende Fortschritte vorantreiben. Der Materialwissenschaftler arbeitet daran, die Versetzungen kontrollierbar und die Keramik zugleich formbarer zu machen. Erreichen will er das unter anderem mit elektrischer Spannung, Lichtbestrahlung, mechanischen und thermischen Verfahren. Ziel seiner Forschung ist die Schaffung stabiler, gezielt platzierbarer plastischer Zonen in Millimetergröße mit hoher Versetzungsdichte. Und die Erfindung eines neuen Keramikwerkstoffes, der nicht so schnell Schaden nimmt und eine höhere Bruchtoleranz hat. „Das würde ganz neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen“, ist der TU-Wissenschaftler sicher.

Zur Person

Xufei Fang studierte Luft- und Raumfahrttechnik an der chinesischen Tsinghua University in Peking. Dort promovierte er in Mechanik, entschied sich später jedoch für die Materialwissenschaften. 2016 bis 2019 arbeitete er als Postdoc mit einem Alexander von Humboldt Fellowship am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf. Im April 2019 wurde Xufei Fang Gruppenleiter an der TU Darmstadt in der Keramik-Gruppe von Prof. Jürgen Rödel in einem von der DFG geförderten Koselleck-Projekt. 2019 wählte die TU Darmstadt ihn als einen ihrer Athene Young Investigators aus. Seit 2021 ist der 33-Jährige auch Gast-Associate-Professor am Department of Mechanical Science and Bioengineering der japanischen Universität Osaka.

Hintergrund

Die ERC Starting Grants werden vom Europäischen Forschungsrat an Wissenschaftler:innen aus allen Disziplinen bis zu sieben Jahre nach der Promotion vergeben. Mit der Auszeichnung will die Europäische Union herausragende Forschung und den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern. Der Starting Grant richtet sich an Forschende am Beginn ihrer Karriere, die schon exzellente Arbeiten vorweisen können und eine eigenständige Forschung oder eigene Arbeitsgruppe aufbauen möchten.